Morgendliches Joggen durchs Schwarzbad in Lochau. Die ersten Sonnenstrahlen bahnen sich ihren Weg durch die Bäume. Die sumpfigen Wiesen dampfen noch in der Frische des Aprilmorgens. Auf dem Naturweg kreucht und fleucht schon das Kleingetier.

Die Brücke ist überquert, jetzt geht es auf dem Naturweg ein paar Meter zur nächsten Bachquerung. Hier bleibe ich stehen. Nicht, weil ich müde bin. Nicht, weil mir die Puste ausgeht. Nein, es ist die Landschaft, die mich innehalten lässt. Trotz geringer Niederschlagsmengen in den letzten Wochen staut sich der Kanal viele Meter zurück und setzt die Aulandschaft unter Wasser.

Daneben liegen Bäume kreuz und quer in der Landschaft. Haben hier Vandalen gewütet? Hat ein Sturm die Stämme geknickt? Noch etwas fällt auf: Manche Bäume sind mit Maschendraht umwickelt. Was hat das zu bedeuten?

Der Biber ist zurück
Des Rätsels Lösung: In Lochau/Hörbranz haben sich Biber niedergelassen. Jene fleißigen Baumeister – in der Zoologie auch als Castor fiber bekannt –, die mit ihren braunen Nagezähnen stattliche Stämme zu Fall bringen, besiedeln das Naturschutzgebiet an der Leiblach. Doch was hat es mit diesen putzigen Tieren auf sich?

Es ist keineswegs selbstverständlich, dass dieser Nachtschwärmer hier anzutreffen ist. Seit 2006 nimmt er unsere Gewässer wieder ein, nachdem er vor ca. 350 Jahren ausgerottet worden war. Gefällte Baumstämme verraten seine Rückkehr. Doch wie sieht ein Biber eigentlich aus? Oft ist er tagsüber ja nicht zu sehen.

Biber sind durch ihren kompakten Körperbau, ein dichtes braunes Fell und einen breiten, flachen Schwanz – die Kelle – zu erkennen. Eine dicke Fettschicht schützt die emsigen Tiere vor der Kälte. Seine großen Hinterpfoten haben Schwimmhäute, die ihn zu einem flinken Schwimmer machen. Die Vorderpfoten sind mit langen Krallen, mit denen er greifen und Feinarbeiten auf seiner »Baustelle« erledigen kann, versehen. Wer glaubt, Biber seien immer klein und putzig, der irrt: Ausgewachsene Tiere können ein Gewicht von bis zu 30 kg erreichen. Mit einer Gesamtlänge von ca. 135 cm sind sie dabei größer als ein Reh.

Aber aufgepasst: Nicht jedes Tier, das braun ist und im Wasser schwimmt, ist ein Biber. Zwei eingewanderte Genossen, die ebenfalls in unseren Gefilden leben, gleichen ihm: die Bisamratte und das Nutria.

Der Burgherr vom Schwarzbad

Beobachten? Fehlanzeige
Sie wollen einen Biber einmal in natura sehen? Ist möglich, aber nicht so einfach. Entweder Sie nähern sich der hölzernen Biberburg spätabends oder frühmorgens, denn die Tiere sind nachtaktiv. Und: Einen großen Teil der Zeit verbringen sie in ihrer Burg. Diese bietet Schutz vor Feinden, Hitze und Kälte. Der Eingang liegt gut geschützt unter Wasser – die »gute Stube« liegt immer über Wasser und damit im Trockenen. So führen Biber ein relativ geheimes Leben. Die Burg wird nur verlassen, um Futter zu suchen und nötige Bauarbeiten zu erledigen. Biber sind übrigens reine Vegetarier: Im Sommer fressen sie Gräser, Kräuter, Wasserpflanzen, Blätter und Gehölztriebe, im Winter stehen Baum- und Strauchrinden auf dem Speiseplan. Und: Der Biber duldet keinen fremden Rivalen in seinem Revier, er ist ein »Familientier«. Biber können einmal im Jahr Junge bekommen. Die Fortpflanzungszeit liegt zwischen Jänner und März und nach einer Tragzeit von 105 Tagen bringt das Weibchen ein bis vier Junge zur Welt.

Die hölzerne Biberburg
Der Biber ist ein exzellenter Holzbaumeister. In einem Biberrevier kann man überall Nagespuren entdecken, die Schnittstellen weisen einen Winkel von 45 Grad auf. Die Tiere fällen Bäume nicht wahllos: Wenn sie im Revier eine lohnende Nahrungsquelle – Baumrinde – finden, fällen sie meist mehrere Bäume an derselben Stelle – dem Fällplatz. Anschließend wird der Baum in Teile zerlegt, um diese dann zum Fraßplatz zu bringen. Biber entfernen sich nie weit vom Wasser, das ihnen Schutz bietet. Ist ein Gewässer zu seicht, bauen  Biber oft einen Damm. Damit werden sich ändernde Wasserstände ausgeglichen, durch  die größere Wasserfläche wird der Lebensraum ausgedehnt und das Holz kann besser transportiert werden. Außerdem liegen die Eingänge zur Burg unter Wasser, sodass Biber eine Tiefe von ca. einem halben Meter benötigen.

A la longue unterstützen Biber mit ihren Aktivitäten zahlreiche Ziele der Wasserwirtschaft: Ihre Dämme halten Schwebstoffe zurück, was zur Reinigung der Gewässer beiträgt. Wenn Biber Bäche aufstauen, verteilt sich das Wasser über eine größere Fläche und fließt so langsamer in die Flüsse. Außerdem fördern Biberseen die Entwicklung natürlicher Auwälder.

So schaffen Biber in reiner »Handarbeit«, wofür wir Menschen viel Technik, Energie und Geld einsetzen: Biberseen sind abwechslungsreicher als künstliche Gewässer und können durchaus mit den Biotopteichen  konkurrieren,  die  aus Gründen des Naturschutzes angelegt worden sind. Insbesondere die flachen Uferbereiche, in denen zahlreiche  Wasserpflanzen wachsen, sind wesentlich größer als die in künstlich angelegten Gewässern.

In vielen Fällen funktioniert das Miteinander von Bibern und Menschen gut. Doch auch hier können Probleme entstehen. Deshalb wurde 2013 das Bibermanagement ins Leben gerufen, das Informationen, aber auch Beratung und Hilfe anbietet. Um Bäume vor dem Fällen zu schützen, werden beispielsweise Drahtgitter und Elektrozäune an gefährdeten Stellen montiert. Auch so kann ein Miteinander funktionieren.

Sprach’s und setzte seine Laufrunde fort. Die Biber hinter mir lassend, die mich, den Jogger und Eindringling in ihre Welt, mit Nichtbeachtung bedachten, führte mich mein Weg in den klaren Morgen des Lochauer Naturschutzgebietes.  •